Glasfaserausbau im Landkreis Gießen nimmt weiter Fahrt auf

Sieben Unternehmen treiben den Netzausbau voran, doch Baustopps und fehlende Fördergelder sorgen in einigen Orten für Verzögerungen.

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Mit dem Breitbandausbau sind Landkreis Gießen, Kommunen und Breitband Gießen GmbH schon seit 2011 beschäftigt. Immer war es das Ziel, das zum Ausbauzeitpunkt schnellste verfügbare Internet in jeden Haushalt und jeden Ort zu bringen. Die Technologien und vor allem die Investitionen in den Glasfasermarkt haben sich seit 2011 jedoch komplett verändert, wissen Stefan Becker (Geschäftsführer der Breitband Gießen GmbH) und Ramona Rühl (zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Projektmanagement bei Breitband Gießen GmbH). In einem Gespräch mit dem Anzeiger berichten sie über die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen, die das Ziel eines flächendeckenden Glasfaserausbaus mit sich bringen, aber auch über das Glück, das man im Landkreis Gießen habe.

Überland- und Backbone-Trassen

„2011 sind wir gestartet und haben, so wie es damals Stand der Technik war, Glasfaser bis zu den Kabelverzweigern gelegt. Die letzten Meter bis in die Gebäude wurde das Internetsignal über Kupferkabel übertragen. Dadurch hatten wir im Landkreis schon eine gute Grundversorgung erreicht“, berichtet Stefan Becker von den Anfängen. Heute hingegen wird Glasfaser bis in die Gebäude gelegt, die Orte werden mithilfe von Überlandtrassen miteinander verbunden und die zentralen Knotenpunkte an die großen „Backbone“-Trassen, die oft entlang der Autobahnen quer durch Deutschland verlaufen, angebunden. Das bedeutet Bauarbeiten im großen Stil. Nicht umsonst wird der flächendeckende Glasfaserausbau als Deutschlands größtes Infrastrukturprojekt der heutigen Zeit betitelt.

„So richtig Fahrt aufgenommen hat der eigenwirtschaftliche Glasfaserausbau mit Verlegung bis in die Gebäude im Landkreis Gießen in 2023. Vorangegangen waren zahlreiche Termine mit den etablierten Telekommunikationsunternehmen, um mit ihnen denkbare Ausbaukonstellationen im Kreisgebiet auszuloten“, erklären Stefan Becker und Ramona Rühl. Die Konstellationen, wie einst vor zwei Jahren besprochen, bestehen aber heute teilweise schon gar nicht mehr, etwa, weil sich Unternehmen aus dem Markt zurückgezogen haben oder weil neue Unternehmen hinzugekommen sind. Aktuell sind in den 18 Städten und Gemeinden des Landkreises sieben Telekommunikationsunternehmen aktiv, teilweise noch in der Vermarktung, teilweise im Bau, teilweise kann auf dem schnellen Netz schon gesurft werden.

Insolvenz von zwei Unternehmen

„Gemeinsam mit den Bürgermeistern, den Ordnungs- und Bauämtern und den Breitbandkoordinatoren des Landkreises stecken wir viel Zeit und Energie in die Begleitung des eigenwirtschaftlichen Ausbaus. Eigenwirtschaftlich bedeutet ja, dass die Telekommunikationsunternehmen den Bau der Glasfaserinfrastruktur auf eigene Kosten durchführen. Jeder Anschluss, der jetzt gebaut wird, fällt später nicht zulasten der kommunalen Haushalte“, erklärt Ramona Rühl. So weiß das Team zu schätzen, dass man im Landkreis Gießen in die glückliche Lage gekommen ist, dass viele Unternehmen eigenwirtschaftlich aktiv geworden sind.

„Klar ist auch, dass es nicht an allen Stellen rund läuft. Aktuell beschäftigt uns beispielsweise die Insolvenz von zwei durch die Telekommunikationsunternehmen beauftragten Tiefbauunternehmen. An einigen Stellen stehen die Baustellen still, weil die Kommunen Baustopps verordnet haben. Hier schauen wir zusammen mit allen Beteiligten, wie der Ausbau möglichst zügig weitergehen kann“, ergänzt Stefan Becker.

Die Breitbandkoordinatoren des Landkreises, die darüber hinaus auch als Ansprechpartner des Landes und der Fördermittelgeber fungieren, und die Breitband Gießen GmbH stehen täglich in engem Austausch mit den Bau- und Ordnungsämtern der Kreiskommunen. „Der Glasfaserausbau ist ein Gemeinschaftsprojekt. So haben wir gemeinsam ein Pflichtenheft entwickelt, das die Städte und Gemeinden als Auflage für den Ausbau an die Unternehmen weitergeben“, erklären sie. Das Pflichtenheft enthält technische, bauliche und organisatorische Vorgaben zur Planung und Umsetzung des Ausbaus. Darin finden sich beispielsweise Regelungen zur Grabungstiefe, zur Wiederherstellung der Gehwege und Straßen, einzuhaltende Sicherheitsmaßnahmen und Vorgaben zur Durchführung von regelmäßigen Baubesprechungen. Darin ist der gemeinsame Standard festgeschrieben. Darüber hinaus fördert die Breitband Gießen GmbH den Austausch und die Schulung der Leiter der Bau- und Ordnungsämter. Kürzlich fand wieder eine gemeinsame Veranstaltung in Pohlheim statt (der Anzeiger berichtete).

Quelle: Gießener Anzeiger